Alles über Österreich

Der Wohlfahrtsstaat

Österreich verfügt über ein umfassendes System der sozialen Sicherheit und Wohlfahrt. Das Netz funktioniert auf zwei Ebenen. Zum einen gibt es das Versicherungsprinzip, das alle Erwerbstätigen und weitgehend auch deren Angehörige bei Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Elternzeit und Pensionen absichert, zum anderen gibt es öffentliche Sozialleistungen, die von Bund, Ländern und Gemeinden für bedürftige Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung gestellt werden, die nicht durch das Versicherungssystem abgedeckt sind.

 

1. Sozialversicherung

 

Das Sozialversicherungssystem ist der wichtigste Teil des österreichischen Sozialversicherungssystems. Soziale Sicherheit bedeutet Schutz vor verschiedenen Lebensrisiken wie Krankheit, Unfall, Arbeitsunfähigkeit und Altersbeschwerden sowie den damit verbundenen Folgen.

Das Sozialversicherungssystem ist das bedeutendste Element im Bereich der Sozialpolitik, sowohl was die Zahl der geschützten Personen als auch die Höhe der eingesetzten Mittel betrifft.

Im engeren Sinne besteht das Sozialversicherungssystem in Österreich aus:

  • dem gesetzlichen Rentenversicherungssystem;

  • dem gesetzlichen Krankenversicherungssystem und

  • der gesetzlichen Arbeitsunfallversicherung.

Reform der Sozialversicherungsanstalten 2019-2020

Das Sozialversicherungsorganisationsgesetz (SV-OG) hat zu einer Umstrukturierung der Sozialversicherungsträger geführt. Das sind die Träger, die im Auftrag des Staates die Gesetze zur Sozialversicherung umsetzen. Weitere Informationen zur Reform finden Sie im Abschnitt über die Strukturreform der Sozialversicherung

 

2. Rentenversicherung

 

Anrechnung von Kindererziehungszeiten und Rentensplitting

Viele Mütter und Väter schränken ihre Erwerbstätigkeit ein, um sich der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder widmen zu können.

ARTEN VON RENTEN

In Österreich wird zwischen Eigenpensionen (aufgrund des eigenen Versicherungsverlaufs) und Hinterbliebenenpensionen unterschieden.

ZEITEN DER KINDERERZIEHUNG IN DER RENTENVERSICHERUNG

Zu den Versicherungszeiten zählen nicht nur die Zeiten, in denen Beiträge gezahlt wurden (Beitragszeiten), sondern auch die Zeiten der Kindererziehung gelten als Versicherungszeiten. Die Kindererziehungszeiten werden grundsätzlich dem Elternteil angerechnet, der das Kind tatsächlich und überwiegend erzieht.

In der Rentenversicherung werden bis zu vier Jahre (48 Monate pro Kind, bei Mehrlingsgeburten 60 Monate) als Kindererziehungszeiten angerechnet. Diese Regelung schließt Lücken im Versicherungsverlauf und erhöht den späteren Pensionsanspruch. Für die Kindererziehungszeiten wird eine Beitragsgrundlage von 1.986,04 Euro pro Monat (2021) herangezogen und dem Pensionskonto gutgeschrieben. Dieser Wert wird jährlich angepasst (erhöht).

Dabei wird kein Unterschied zwischen leiblichen Kindern, Stiefkindern, Adoptiv- und Pflegekindern gemacht.

Überschneidet sich die Kindererziehungszeit mit der Geburt eines weiteren Kindes, so endet die Erziehungszeit für das erste Kind mit dem Beginn der Betreuungszeit für das zweite Kind.

Ist eine Person während der Kindererziehungszeit erwerbstätig, wird diese Zeit als so genannte einfache Versicherungszeit berücksichtigt. Bei der späteren Berechnung der Rente wird jedoch die für die Kindererziehungszeit festgesetzte Beitragsgrundlage zu derjenigen aus der Beschäftigung addiert.

FREIWILLIGES RENTENSPLITTING

Seit 2005 ist es möglich, eine Rente freiwillig aufzuteilen. Dabei kann der erwerbstätige Elternteil, der sich nicht überwiegend der Betreuung des Kindes/der Kinder widmet, in den ersten sieben Jahren bis zu 50 Prozent seines Rentenguthabens auf das Rentenkonto der Person übertragen lassen, die das Kind/die Kinder überwiegend betreut.

Eine solche Übertragung kann beim zuständigen Rentenversicherungsträger bis zum 10. Geburtstag des jüngsten Kindes beantragt werden. Diese Regelung wurde eingeführt, um den Verlust, den ein Elternteil durch seine reduzierte Erwerbstätigkeit erleidet, freiwillig auszugleichen, indem die Rentenkonten der beiden Elternteile auf diese Weise ausgeglichen werden.

Wie viel kann überwiesen werden?

Der Transferbetrag kann für jedes einzelne Jahr festgelegt werden.

Allerdings sind die folgenden Grenzen zu beachten:

  • Es können nur Guthaben aus einer Beschäftigung übertragen werden. Gutschriften aus dem Versicherungsschutz aufgrund von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Mutterschaftsurlaub oder Übergangsgeld, Wehr- oder Zivildienst, Kindererziehung oder freiwilliger Versicherung sind nicht übertragbar.

  • In jedem Kalenderjahr können maximal 50 Prozent des Guthabens aus der Beschäftigung übertragen werden.

  • Es kann nur so viel übertragen werden, dass auf dem Rentenkonto des empfangenden Elternteils die jährliche Obergrenze für das versicherungspflichtige Entgelt nicht überschritten wird.

  • Die Übertragung kann als Betrag oder als Prozentsatz des Guthabens erfolgen. Der zulässige Betrag wird von dem jeweiligen Rentenversicherungsträger berechnet.

  • Übertragungen sind für maximal 14 Kalenderjahre möglich.

RENTENERHÖHUNGEN

Damit die Kaufkraft der Renten erhalten bleibt, werden sie immer zum 1. Januar eines jeden Jahres mit dem gesetzlichen Anpassungsfaktor multipliziert.

Der Anpassungsfaktor richtet sich nach einer Bezugsgröße. Die Bezugsgröße für die Rentenanpassung wird so festgelegt, dass die Erhöhung der Renten dem Anstieg der Verbraucherpreise entspricht.

Der Referenzwert für 2021 wurde auf 1,015 festgesetzt. Im Jahr 2021 wird die Rentenanpassung jedoch vom Referenzwert abweichen. Damit folgte das österreichische Parlament einem Vorschlag der Regierung, das Einkommen kleiner und mittlerer Rentenempfänger zu stärken.

Die Rentenanpassung 2021 beinhaltet eine gleitende Skala, die kleinere Renten deutlich erhöht:

  • Kleinere Renten bis zu 1.000 Euro werden um 3,5 Prozent erhöht.

  • Gesamtrenten von 1.000 Euro bis zu einem Rentenbetrag von 1.400 Euro werden linear von 3,5 Prozent auf 1,5 Prozent abgewertet.

  • Die Renten von 1.400 Euro bis 2.333 Euro werden um 1,5 Prozent erhöht.

  • Renten über 2.333 EUR werden um einen festen Betrag von 35 EUR erhöht.

PENSIONSRÜCKSTELLUNG

Die Altersvorsorge in Österreich beruht auf drei Säulen: der gesetzlichen Rentenversicherung, der betrieblichen Altersvorsorge und der privaten Altersvorsorge.

Neben der gesetzlichen Pflichtversicherung für alle Erwerbstätigen tragen die betriebliche und private Altersvorsorge dazu bei, ein finanzielles Sicherheitsnetz zu schaffen und den Lebensstandard im Alter zu erhalten.

BETRIEBSRENTE

Die betriebliche Altersvorsorge ist eine freiwillige Sozialleistung des Arbeitgebers. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer einem Versorgungswerk beitreten und so eine zusätzliche Rente aufbauen. Bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bleibt der Anspruch des Arbeitnehmers erhalten.

Das Betriebsrentengesetz (BPG) sieht gesonderte arbeitsrechtliche Bestimmungen für die betriebliche Altersversorgung vor.

Das BPG sieht vier Arten von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor:

  • Pensionsfondsverpflichtungen gegenüber in- oder ausländischen Pensionsfonds

  • Kollektive betriebliche Rentenversicherungen

  • Direkte Pensionszusagen

  • Lebensversicherungspläne.

Gemeinsam ist diesen Versorgungszusagen, dass sie eine Ergänzung zu den Alters-, Invaliditäts-/Invaliditäts- und Hinterbliebenenrenten der gesetzlichen Rentenversicherung darstellen.

FREIWILLIGE PRIVATE ALTERSVORSORGE

Verschiedene Versicherungsgesellschaften und Banken bieten eine Reihe von Produkten zur privaten Altersvorsorge an. Die Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden selbst, ob dies eine notwendige und sinnvolle Ergänzung zu ihrer staatlichen Rente darstellt.

 

3. Krankenkasse

 

Fast die gesamte Wohnbevölkerung Österreichs (99,9 Prozent) ist in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Die gesetzliche Krankenversicherung bietet den Versicherten und ihren mitversicherten Familienangehörigen einen umfassenden Schutz im Krankheitsfall.

Nach dem Gesetz muss die medizinische Versorgung ausreichend und angemessen sein, darf aber nicht über das notwendige Maß hinausgehen.

Der Rechtsanspruch auf Leistungen umfasst - unabhängig von der Höhe der geleisteten Krankenversicherungsbeiträge - einen Anspruch auf Sachleistungen für die im Einzelfall erforderlichen medizinischen Leistungen. Diese können von Vertragsärzten in den Einrichtungen der Sozialversicherungsträger oder in Vertragseinrichtungen (Krankenhäusern) erbracht werden. Alle Versicherten und Leistungsberechtigten haben den gleichen Anspruch.

Die Leistungen werden größtenteils ohne zusätzliche Kosten für die Versicherten erbracht, obwohl für einige Gruppen von Versicherten Kostenbeiträge (Zuzahlungen) zu leisten sind.

ZUGEHÖRIGKEIT ZU BERUFSGRUPPEN

Die österreichische Sozialversicherung ist nach der Zugehörigkeit zu Berufsgruppen organisiert. Das bedeutet, dass die Menschen aufgrund ihrer Arbeit einem bestimmten Sozialversicherungsträger angehören.

Ab dem 1. Jänner 2020 (Strukturreform der Sozialversicherung) gilt Folgendes

Jene Arbeitnehmer, die bisher bei den Gebietskrankenkassen versichert waren, sind nun bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) versichert. Pensionisten, die bisher bei den Gebietskrankenkassen versichert waren, sowie alle Personen, die bei einer Betriebskrankenkasse versichert waren, sind nun ebenfalls bei der ÖGK.

Personen, die bisher bei der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau versichert waren, sowie Beamte und Vertragsbedienstete des öffentlichen Dienstes, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2000 begonnen hat (sofern sie nicht einer besonderen Krankenversicherung auf Landesebene angehören), gehören nun der neuen Sozialversicherungsanstalt für Angestellte des öffentlichen Dienstes, der Eisenbahnen und des Bergbaus (BVAEB) an.

Gewerbetreibende und Freiberufler, die bisher in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) versichert waren, sind nun in der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen.

MITVERSICHERUNG UND SELBSTVERSICHERUNG

Die gesetzliche Krankenversicherung schützt auch die Familienangehörigen des Versicherten, entweder ohne Zusatzbeiträge oder zu einem reduzierten Beitrag.

Nicht versicherte Personen haben die Möglichkeit, sich auf freiwilliger Basis zu versichern.

4. Unfallversicherung

Die gesetzliche Arbeitsunfallversicherung bietet Schutz vor dem Eintritt und den Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Im Jahr 2019 waren in Österreich insgesamt rund 6,5 Millionen Personen (73 Prozent) in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.

Aus historischer Sicht kann die Unfallversicherung als Ersatz für die Arbeitgeberhaftung angesehen werden und ist somit eine Art Haftpflichtversicherung, die Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer abschließen. Dies erklärt auch, warum bei Arbeitnehmern nur der Arbeitgeber Beiträge zahlt und warum die gesetzliche Unfallversicherung nur für Unfälle und Krankheiten aufkommt, die unmittelbar mit der Beschäftigung zusammenhängen.

Selbstständig Erwerbstätige zahlen ihre Beiträge selbst. Schüler und Studenten sowie Mitglieder von Hilfsorganisationen und Rettungskräfte sind ebenfalls unfallversichert, müssen aber keine eigenen Beiträge zahlen.

Die gesetzliche Unfallversicherung ist also nicht zuständig für Leistungen bei Unfällen, die sich im Privatleben ereignen. Allerdings erhalten die Betroffenen in solchen Fällen Leistungen aus der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung.

DIE TRÄGER DER SOZIALEN UNFALLVERSICHERUNG

Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) ist für die Unfallversicherung der Arbeiter und Angestellten sowie der Schüler und Studenten zuständig.

Selbständige Gewerbetreibende und selbständige Land- und Forstwirte sowie deren mitarbeitende Familienangehörige sind bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) versichert.

Beamte und Vertragsbedienstete des Bundes, der Länder und Gemeinden (sofern sie nicht einer Unfallversicherungsanstalt auf Landesebene angehören) sowie Beamte der Österreichischen Bundesbahnen, Eisenbahner im Allgemeinen und Bedienstete der Wiener Linien sind bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) versichert.

LEISTUNGEN DER GESETZLICHEN UNFALLVERSICHERUNG

Die Unfallversicherung leistet Präventionsarbeit in den folgenden Bereichen:

  • die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten;

  • Erste Hilfe bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten;

  • medizinische Versorgung bei Unfällen;

  • die Rehabilitation von Behinderten;

  • Entschädigung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten;

  • die Zahlung von Renten;

  • Zuschüsse zur Lohnfortzahlung;

  • Forschung über die wirksamsten Methoden und Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben und

  • die Erfüllung sonstiger Aufgaben im Bereich der arbeitsmedizinischen Betreuung der Versicherten.

LEISTUNGEN DER GESETZLICHEN UNFALLVERSICHERUNG IM JAHR 2019

Im Jahr 2019 wurden 177.000 Versicherungsfälle anerkannt (davon 55.000 Unfälle von Schülern und Studenten). Die Versicherungsfälle lassen sich unterteilen in 160.000 Arbeitsunfälle im engeren Sinne, rund 16.000 Unfälle, die sich auf dem Weg zur oder von der Arbeit oder Schule/Hochschule ereignet haben, und 1.400 Fälle von Berufskrankheiten.

Im Dezember 2019 wurden rund 93.000 Renten gezahlt. Davon entfielen rund 80.000 auf Invaliditätsrenten und rund 13.000 auf Hinterbliebenenrenten.

 

5. Soziale Fragen

 

Österreich verfolgt eine umfassende Sozialpolitik, die auf einem weitreichenden und dichten Netz von Sozialleistungen und -diensten beruht.

Das Ziel der österreichischen Sozialpolitik ist es, Risiken wie Armut, Gewalt oder sozialer Ausgrenzung entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck gibt es neben Unterstützungssystemen wie der Sozialversicherung eine Reihe von weiteren Schwerpunkten, die unter anderem:

  • eine aktive Seniorenpolitik

  • Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt;

  • Unterstützung für ehrenamtliche Arbeit;

  • die Förderung der sozialen Verantwortung der Unternehmen und

  • Maßnahmen zur Verringerung sozialer Ungleichheiten, z. B. Leistungen für Familien,

  • sozialer Ausgleich und

  • neue soziale Projekte (wie z. B. die Anleihe mit sozialer Wirkung).

NATIONALE UND REGIONALE ZUSTÄNDIGKEITEN

Das österreichische System der sozialen Sicherheit ist zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden aufgeteilt. Die sozialversicherungsrechtlichen Leistungen und die allgemeinen Leistungen fallen in die Zuständigkeit des Bundes, während die Länder, Gemeinden und Städte für einen Großteil des Gesundheitswesens, des Wohnungswesens, der sozialen Dienste, der Kinderbetreuungseinrichtungen und der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zuständig sind.

SOZIALGESETZGEBUNG: ZUSAMMENARBEIT MIT DEN SOZIALPARTNERN

Zahlreiche nichtstaatliche Parteien sind an der Gestaltung der Sozialgesetzgebung in Österreich beteiligt und spielen eine wichtige Rolle im Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung. Zu den wichtigsten gehören die Arbeiterkammer (AK), die Wirtschaftskammer (WKO) und die Landwirtschaftskammer (LK), der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Industriellenvereinigung (IV).

Nicht zuletzt geben die Institutionen der Europäischen Union wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme.

Bevor nationale Maßnahmen im Bereich der Sozialgesetzgebung ergriffen werden, werden die Sozialpartner konsultiert. Diese bemühen sich, einvernehmliche Lösungen zu finden, die häufig eine gute Grundlage für die Gesetzgebung darstellen.

(Quelle: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, 2021)