Esskultur

Das Erbe des Kaffeehauses

Oben: Cafe Central, Wien
WienTourismus/Christian Stemper.

Das Erbe des Kaffeehauses

Der Ursprung des Wiener Kaffeehauses wird von vielen eher als Legende denn als Tatsache angesehen. Die Geschichte besagt, dass die polnisch-habsburgische Armee, die 1683 die osmanische Armee besiegte und die zweite türkische Belagerung Wiens aufhob, mehrere Säcke mit trockenen, dunkelbraunen Bohnen unter der Beute entdeckte, die der sich zurückziehende Feind zurückgelassen hatte.

Der polnische König Jan III. Sobieski gab die Säcke mit den nutzlosen Bohnen einem Offizier namens Jerzy Franciszek Kulczycki, ohne zu wissen, wofür sie bestimmt waren und welchen Wert sie hatten. Ob er seine Informationen mit dem König teilte oder nicht, Kulczycki wusste sehr wohl, wie wertvoll die Bohnen waren, denn er hatte während seiner Zeit in türkischer Gefangenschaft viel über Kaffee gelernt.

Kulczycki wird oft das Verdienst zugeschrieben, den Kaffee an den europäischen Geschmack angepasst zu haben, indem er dem starken, bitteren türkischen Getränk Milch und Zucker hinzufügte. Jedenfalls wurde das erste anerkannte Wiener Kaffeehaus 1685 von Johannes Theodat eröffnet. Die frühen Kaffeehäuser boten ihren Kunden eine Farbkarte mit verschiedenen Brauntönen, heller oder dunkler, an, aus denen der Kunde seinen bevorzugten Farbton auswählen konnte.

Erst viel später wurden die einzelnen Kaffeezubereitungen mit den Namen getauft, die die Kunden heute kennen: Melange, Großer/Kleiner Brauner, Großer/Kleiner Schwarzer, Einspänner, Verlängerter, der mit Rum versetzte Fiaker und die komplexe Kaisermelange.

Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich das Wiener Kaffeehaus zu etwas mehr als nur einem Ort, an dem man eine Tasse Kaffee trinken konnte. Obwohl Kaffeehäuser in der ganzen Stadt allgegenwärtig waren, hatte jedes seine eigene Atmosphäre und zog eine bestimmte Klientel an, die sich vor allem aus akademischen, politischen oder kulturellen Interessen sowie aus der sozialen Schicht speiste.

Wiener Kaffeehäuser waren die Lieblingsorte von Persönlichkeiten wie Alfred Adler, Sigmund Freud, Theodor Herzl, Gustav Klimt, Egon Schiele, Arthur Schnitzler, Stefan Zweif und unzähligen anderen, deren Namen und Leben inzwischen aus der Geschichte verschwunden sind. Es wird berichtet, dass Leo Trotzki das Café Central besonders mochte. Die Beliebtheit der Kaffeehäuser lässt sich auf die einzigartige soziale Funktion zurückführen, die sie erfüllten. Neben ausgezeichnetem Kaffee und kleinen Mahlzeiten boten die traditionellen Wiener Kaffeehäuser ihren Gästen die Möglichkeit, in einer gemütlichen Umgebung zu sitzen und die Nachrichten aus der Welt zu lesen, indem sie aus Regalen mit lokalen und häufig auch ausländischen Zeitungen schöpften. Dies war ein wichtiger Service in einer Zeit vor Radio, Fernsehen und Internet.

Der einzigartige Vorzug des Wiener Kaffeehauses besteht heute wie damals darin, dass es dem Gast die Möglichkeit bietet, einfach mit einem, zwei oder einer Handvoll Menschen zusammenzusitzen und menschliche Beziehungen in einer Atmosphäre zu knüpfen, die sich für das Persönliche und Intime, das Bedeutungsvolle, sei es emotional oder intellektuell, eignet. An den Marmortischen und geschwungenen Holzstühlen der Wiener Kaffeehäuser sitzen Freunde, Liebhaber, Geschäftspartner, Studenten, Intellektuelle, Politiker, Klatschtanten, Idealisten, Verschwörer und natürlich Touristen. In Ihre Zeitung vertieft oder in ein privates Gespräch vertieft, wissen Sie nie, wer am Nebentisch sitzt und worüber er spricht. Wenn das Konzept der Romantik die menschlichen Emotionen und die nicht greifbaren Elemente der persönlichen Interaktion hervorhebt, dann ist das Wiener Kaffeehaus eines der romantischsten Elemente einer unbestreitbar romantischen Stadt.

© Auszüge aus dem Artikel "Cafe Hawelka" von John A. Irvin.